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2009-04-21 11:22:50
Tracy Byrd in Deutschland (Untermeitingen, 13. und 14. März 2009)

Das Leben in der deutschen Country Music-Szene war lange in gewisser Weise wie das in einem nahezu schalldichten Raum. Von Zeit zu Zeit „verirrte“ sich mal ein US-Künstler zu uns, das war auch schon alles. Eine Veränderung bahnte sich an, als die Four Corners Music Hall in Untermeitingen entschied, nicht einfach nur auf solche Glücksfälle zu warten, sondern selbst aktiv eine Bewegung herbeizuführen. Ein solcher Prozess braucht Zeit und Marianne Theil und Bill Wallace bauten diese Tatsache in ihre Erfolgsstrategie geschickt ein. Eine langsame Steigerung der Qualität, nichts überstürzen, den Hebel erst betätigen, wenn man ganz sicher ist. Und auf diese Weise stetig eine Stufe höher. Mit Tracy Byrd war für den Moment nun erst mal die höchste Ebene erreicht.
Meine Begegnung mit Tracy Byrd zum Interview in einem kleinen Konfernezraum des Lechpark Hotels war gelassen und entspannt. Am Mittag war er aus der Schweiz zu seinem ersten Besuch und dem einzigen Konzert in Deutschland mit seiner Familie, der Band und Tourmanagerin Penny Phillips angereist. Er öffnete uns zu Beginn des Gesprächs erst mal die bereit gestellten Bierflaschen. Er trinke nicht gern allein, meinte er.
Andere Künstler, vor allem sein Freund Tracy Lawrence, hätten ihm schon vom Four Corners berichtet und ihm prophezeit, dass er dort eine gute Zeit haben würde, beginnt er. Beim Soundcheck konnte er sich eine Vorstellung davon machen. Und wenn er jetzt dann gleich rüber gehe, um zu spielen, so benötigte er für sich im Innern keine weitere Vorbereitung. Ich wollte wissen, wie leicht oder wie schwer es ihm generell falle, Veränderungen zu akzeptieren. Ob er ein Mensch sei, der es vorzieht, auf Situationen zuzugehen oder dem es besser damit geht, sie auf sich zukommen zu lassen. Absolut zweiteres, meinte Tracy, er sei ein völlig passiver Mensch, „rolling with the flow“, sowohl im Beruf als auch privat. Seine Natur sei es, Dinge gelassen anzunehmen.
Er sei froh, dass seine Buchungen es ihm erlauben, viel Zeit unter der Woche mit seiner Familie zu verbringen. Dann stehe er um 6:00 Uhr morgens auf, mache Frühstück, lasse die Hunde raus, bringe die Kinder zur Schule und am Nachmittag zum Baseball oder Klavierunterricht. Routinierte Prozeduren, die ihm ebenso viel Freude bereiten, wie am Wochenende auf Tour durch Clubs zu gehen. Er gebe keinen Unterschied zwischen Tracy Byrd dem Ehemann und Vater gegenüber dem Künstler. Er sei immer noch die selbe Person, betonte er, die Musik würde nicht sein Leben widerspiegeln.
In einem Artikel in der Country Weekly hatte ich vor längerer Zeit einen Artikel gefunden, in der er seine Heimatstadt Vidor/Texas vorstellt und die wundervolle Kindheit und Jugend beschreibt, die er dort durchleben durfte und die ihn prägte. Mich interessierte, ob er noch immer Freunde aus dieser Zeit habe, wie wichtig ihm Freundschaften überhaupt seien und ob er Schwierigkeiten habe, sich Menschen gegenüber zu öffnen. Er liebe es, seinen eigenen Kindern von früher zu erzählen, berichtete er. Es kämen dann Erinnerungen auf, die ihn mit Zufriedenheit erfüllen. Ja, er habe noch ein paar enge Freunde von früher, die manchmal einfach vorbei kommen und Zeit mit ihm verbringen würden. Schon seine Mutter hatte ihn und seine Schwester gelehrt, wie wichtig Freundschaften seien. Vertraute für ihn unter den Kollegen seien z. B. Blake Shelton, Andy Griggs und vor allem Tracy Lawrence. Zwischen ihnen herrsche eine innige Zuneigung. Im übrigen könne er relativ unbeschwert auch neue Verbindungen eingehen, er lerne aufgrund seines Jobs viele Menschen kennen und einige blieben für immer.
Wie werde er wohl zu Hause seine hier gemachten Eindrücke beschreiben, vor allem auch anderen Künstlern? Country Music nehme einen großen Raum in Europa ein, war sein Gefühl. Das Publikum erlebe er nicht anders als in den USA und so lange die Leute seine Songs mögen, wird er sie für sie spielen.
Jene gewonnene Erkenntnis nahm er kurz darauf mit auf die Bühne und gab sich mit Selbstverständlichkeit nah und ohne jegliche falsche Selbstwahrnehmung. Bei dieser Show war die Erwartung die, Country Music von Weltklasse zu bekommen. Sie wurde erfüllt.
Vertrautheit gibt ein gewisses Maß anSicherheit. Möglicherweise steckt dies hinter dem Konzept, als Opener für Top-Acts überwiegend Dan Coates mit Band einzuladen. Warum auch ein System zerschlagen, das bestmögliche Show garantiert. Country Music aus Deutschland, wenngleich wiederum von einem Amerikaner dargeboten, die hier die perfekte Rolle des Vermittlers einnahm.
Und dann kam Tracy Byrd, mit einem gewaltigen Einstieg - „I'm From The Country“ - und präsentierte sich seinem Publikum als aktiver Anleiter. Ein relativ leichter Job, denn er ist ein Top-Star und die Leute waren in dieser Freitag Nacht einfach heiß. Am Samstag sogar noch heißer. Wie er oder seine Musiker auch handelten und was immer er von sich gab – er hatte nicht vor, die hoch angesetzte Linie der Erwartung auch nur hauchfein zu unterschreiten. Tracy Byrd wollte zeigen, wie lässig und kraftvoll sich bestes Entertainment darstellen lässt. Kurze Infos zu den Songs ließ er zu, mehr jedoch nicht. Schließlich war er hier, um seine Musik zu spielen. Und schließlich wollte man die auch hören, denn nichts konnte diese Momente ersetzen oder kann sie je zurück holen. „The Hag told me how to sing“, meinte er und ergänzte die Aussage mit Songs wie „Rambin' Fever“ und „Mama Tried“. Johnny Packcheck fand ebenso Würdigung. Ein Blick von Tracy Byrd in den Himmel reicht da aus, um die Emotionen zu verstehen. Man konnte gewiss sein, dass er seine sich selbst gestellte Aufgabe erfüllte, am Ende eines jeden Konzerts während der Tour in Europa Freundschaft auf musikalischer Ebene geschlossen zu haben mit jedem einzelnen, der gekommen war. Seine Lieder waren nicht schrill oder für ein Live-Konzert aufgepeppt. Er ließ sie in ihrer herrlich harmonischer Gedämpftheit wirken, auf die sie ein Recht haben. Moderne Country Music im absoluten Zustand des Gleichgewichts.
Es könnte einem in den Sinn kommen, dass in beiden Auftritten von Tracy Byrd das Höchstmass an Ansprüchen des Four Corners nun erreicht sei. Höchstwahrscheinlich wird es so sein, dass der Gedanke bei vielen auch bleibt. Bei einigen wird sich die Wertung verändert haben, nachdem sie den nächsten US-Künstler oder -Band dort erlebt haben werden. Ich denke, es wird nicht länger als ein paar Monate dauern. Vielleicht auch nur ein einige Wochen. Klar zu sehen ist, dass sich mit dem steigenden Niveau der Live-Musik auch die Anspruchshaltung des Publikums verändert und letztlich die den Kern bilden, die mit einem großen Teil ihres Herzens dabei sind und vor allem auch ganz klar wissen, auf welcher Stufe wir uns hier befinden. Ein System wie eine Art Trichter, in dem die durchkommen, die sich um Leistung bemühen – Künstler, Veranstalter, Medien und Konsumenten gleichermaßen. Die zähe unflexible Masse, die die Weiterentwicklung der Country Music in Deutschland einschränkt und den Fluss behindert, braucht niemand. Die wird man aber sicher auch nicht bei Konzerten, wie dem von Tracy Byrd finden.

Bettina Granegger - 4/2009

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